Kind krank – Freistellungsanspruch und Entgeltfortzahlung?

Das Kind ist krank und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer melden sich krank – ein Szenario, das im vergangenen Jahr (2016) fast 2,5 Millionen Mal von Eltern in Deutschland genutzt wurde. Dies sind fast doppelt so viele Arbeitnehmer als noch vor zehn Jahren.

 

Krankes Kind

 

Muss der Arbeitgeber in dem Falle, dass sich ein Mitarbeiter aufgrund der Krankheit des Kindes krankmeldet, weiterhin das Entgelt bezahlen? Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung im Falle des erkrankten Kindes? Diese Punkte möchten wir im folgenden Beitrag näher erläutern.

 

Das Kind ist krank – hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Freistellung?

Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer melden sich krank, weil der Nachwuchs krank ist. Für den Arbeitgeber ist in dem Fall relevant, ob die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung hat und ihr oder ihm eine Entgeltfortzahlung zusteht. Grundsätzlich gilt: ist der Arbeitnehmer nicht selbst erkrankt, hat er nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz eigentlich keinen Anspruch auf Freistellung und Entgeltfortzahlung. Allerdings ist die notwendige Betreuung oder Pflege erkrankter Familienangehöriger, vor allem Kinder, für den Arbeitnehmer ein persönlicher Grund, nicht zur Arbeit kommen zu können.

Ist das erkrankte Kind unter 12 Jahren, hat der Arbeitnehmer nach § 45 SGB V einen Anspruch auf Freistellung. Ob der Arbeitgeber allerdings das Entgelt weiterzahlen muss, ist vom Einzelfall abhängig.

Geregelt wird die Vergütungsfortzahlung in § 616 BGB. Fällt der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen für eine, nicht erhebliche Zeit, aus, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Vergütung fortzuzahlen. Dazu gehört auch die notwendige Betreuung eines kranken Kindes. Was und wie lange “erheblich” ist, muss im Einzelfall entschieden werden, wobei 10 Tage als noch “unerheblich” im Sinne des § 616 BGB sein dürften.

 

Sonderregelungen in Tarif- und Arbeitsverträgen

In manchen Tarif- und Arbeitsverträgen sind für den Fall der persönlichen Arbeitsverhinderung und erkrankter Familienmitglieder, Sonderregelungen in punkto Freistellung und Vergütungsfortzahlung vereinbart. So können in den Verträgen Höchstgrenzen für die Tage geregelt sein, für die der Arbeitgeber die Vergütung des Arbeitnehmers weiterhin zahlen muss. Solche vertraglich vereinbarten Regelungen haben Vorrang vor dem § 616 BGB. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, den Vergütungsanspruch nach § 616 BGB im Arbeitsvertrag komplett auszuschließen.

Generell ist die Rechtslage für jeden Fall einzeln zu prüfen.

 

Anspruch auf Krankengeld?

Arbeitnehmer, die gesetzlich krankenversichert sind, haben nach dem § 45 SGB V für maximal zehn Tage Anspruch auf die Krankengeldzahlung im Falle eines erkrankten, pflegebedürftigen Kindes. Allerdings gilt dieser Anspruch nur bis zum 12. Lebensjahr des Kindes. Alleinerziehenden stehen 20 Tage pro Jahr zu. Erhält der Arbeitnehmer nach § 616 BGB weiterhin seine Vergütung, besteht nur Anspruch auf Freistellung.

Sind bei einem Elternteil die 10 Tage pro Jahr bereits ausgeschöpft, können die 10 Tage des anderen Elternteils auf sich übertragen werden. Voraussetzung ist hier allerdings, dass beide Arbeitgeber damit einverstanden sind, da es keinen gesetzlichen Anspruch darauf gibt.

 

Anspruch auf Kinderkrankengeld?

Wird die Anwendung des § 616 BGB vertraglich ausgeschlossen, kommt in dem Falle die Krankenkasse auf. Bei Mitversicherung des kranken Kindes bei den Eltern, besteht ein Anspruch auf Kinderkrankengeld unter Freistellung der Arbeitspflicht. Allerdings müssen bestimmte Voraussetzungen für die Fortzahlung des Arbeitsentgelts oder des Krankengeldes gegeben sein.

  • Ärztliche Bescheinigung, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer zur Pflege, Betreuung oder Beaufsichtigung eines kranken Kindes nicht arbeiten kann.

  • Das Kind ist unter 12 Jahren. Ist das Kind allerdings behindert und auf Hilfe angewiesen, gilt diese Altersgrenze nicht.

  • Eine andere, im Haushalt lebende Person, kann die Pflege, Betreuung oder Beaufsichtigung des erkrankten Kindes nicht übernehmen.

 

Arbeitnehmer ist in der Nachweispflicht

Erkrankt ein Arbeitnehmer selbst, muss er nach § 5 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz, den Arbeitgeber unverzüglich mitteilen, dass er ausfällt und für welchen Zeitraum er ausfällt. Auch im Falle eines erkrankten Kindes muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber unverzüglich unterrichten. Denn dieser hat einen Anspruch darauf, frühzeitig darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, dass der Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen kann, damit gegebenenfalls umgeplant werden kann. Im Krankheitsfall muss der Arbeitnehmer auf Verlangen des Arbeitgebers eine ärztliche Bescheinigung vorlegen.

Verstößt der Arbeitnehmer gegen diese Anzeige- und Nachweispflicht, ist der Arbeitgeber dazu berechtigt, dem Arbeitnehmer eine Abmahnung zukommen zu lassen. Bei wiederholten und erfolglos gebliebenen Abmahnungen kann dem Arbeitnehmer eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen werden.

Entgeltfortzahlung – Vorerkrankungen korrekt ansprechen

Ist ein Arbeitnehmer, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, arbeitsunfähig, hat er einen gesetzlichen Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber.

 

Tabletten und Geldscheine

Dabei darf der Arbeitgeber unter Umständen die Vorerkrankungen auf die gesamte Dauer der Entgeltfortzahlung bei einer erneuten Erkrankung des Mitarbeiters anrechnen. Wann darf eine Anrechnung von Vorerkrankungen erfolgen? Wie erfolgt die Prüfung? Und was müssen Arbeitgeber in diesem Fall berücksichtigen?

 

Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Ist ein Arbeitnehmer erkrankt, ist der gesetzliche Anspruch auf die Entgeltfortzahlung auf maximal 6 Wochen begrenzt. Unter Umständen können Arbeits- und Tarifverträge längere Ansprüche des Arbeitnehmers vorsehen. Im Falle, dass der Arbeitnehmer wieder aufgrund der selben Krankheit arbeitsunfähig wird, darf der Arbeitgeber die Erkrankungen zusammenrechnen, allerdings nur dann, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

  • der Arbeitnehmer war vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit aufgrund der selben Erkrankung nicht mindestens 6 Monate arbeitsfähig oder

  • seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers aufgrund der selben Erkrankung ist eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen.

 

Anrechnung von Vorerkrankungen bei Entgeltfortzahlung

Es dürfen nur Erkrankungen derselben Krankheit angerechnet werden. Deshalb ist es zur Prüfung der Anrechnung erforderlich, die Krankheitsursache zu wissen. Allerdings sind diese Informationen dem Arbeitgeber nicht bekannt. Er hat allerdings die Möglichkeit, sich wegen der Prüfung an die Krankenkasse zu wenden, um eventuell die gesetzliche Regelung anwenden zu können. Bei der Krankmeldung des Arbeitnehmers erhalten die Krankenkassen einen Abschnitt bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, aus welchem die Diagnose entnommen wird und dadurch die Prüfung möglich ist.

 

Wann und wie erfolgt die Prüfung auf Vorerkrankungen?

Eine Prüfung, um Vorerkrankungen anzurechnen, wird vom Arbeitgeber im “Datenaustausch Entgeltersatzleistungen” DTA EEL bei den Krankenkassen beauftragt. Dabei übermittelt der Arbeitgeber neben den Identifikationsdaten den Zeitraum der derzeitigen Arbeitsunfähigkeit und den der zu prüfenden Vorerkrankung. Eine Prüfung auf Vorerkrankungen durch den Arbeitgeber darf nur bei Notwendigkeit erfolgen und

  • wenn der Arbeitnehmer bei der gesetzlichen Krankenversicherung krankenversichert ist,

  • die Summe der Krankheiten mindestens 30 Tage umfasst und

  • die aktuelle Krankheit und die zu prüfende Krankheit als Bescheinigung vorliegt.

 

Prüfung von aktueller Erkrankung und Vorerkrankung

Um den Zusammenhang der Arbeitsunfähigkeitszeiten zu prüfen, benötigt die Krankenkassen Diagnosen. Das heißt, die Prüfung kann erst dann erfolgen, wenn die entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorliegen. Unter Umständen werden fehlende Unterlagen beim behandelnden Arzt oder beim Versicherten nachgefordert. Wenn alle Nachweise vorliegen, erfolgt anhand der Diagnosen die Prüfung, in wie weit die Vorerkrankungen und die aktuelle Erkrankung auf die selbe Grunderkrankung zurückzuführen ist. Eine automatische Prüfung ist nicht möglich, da trotz gleicher Diagnosen nicht immer eine Zuordnung zu der selben Grunderkrankung erfolgen kann. Leidet der Arbeitnehmer an Depressionen, können die Erkrankungen auf ganz unterschiedliche Ereignisse zurückzuführen sein, so dass keine Anrechnung erfolgen darf. Natürlich kann es vorkommen, dass aufgrund der Diagnose der Zusammenhang zwischen vorhergehender und aktueller Erkrankung nicht durch die Krankenkasse beurteilt werden kann. In diesem Falle müssen die behandelnden Ärzte oder der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in die Prüfung mit involviert werden.

 

Rückmeldung durch die Krankenkasse

Nach der abschließenden Beurteilung durch die Krankenkasse wird das Ergebnis per Datensatz an den Arbeitgeber zurückgesendet. Diesem Datensatz kann der Arbeitgeber jeder Vorerkrankung entnehmen, ob ein Nachweis zur Vorerkrankung vorliegt und wenn, für welchen Zeitraum. Zudem meldet die Krankenkasse zurück, ob der vorliegende und zu prüfende Arbeitsunfähigkeitszeitraum anrechenbar, teilweise anrechenbar oder nicht anrechenbar ist. Dies ist deshalb nötig, da bei einer wechselnden Diagnose die Arbeitsunfähigkeit durch einen durchgängigen Zeitraum nur zum Teil auf die die selbe Grunderkrankung zurückgeführt werden kann. Für diesen Fall wird der anrechenbare Zeitraum von der Krankenkasse mitgeteilt. Der Arbeitgeber kann nun mit dieser Rückmeldung die Entgeltfortzahlung entsprechend entscheiden und abschließen.

 

Es gibt noch einige Kinderkrankheiten

Die Hauptproblematik der Krankenkassen in Bezug auf die Prüfung der Vorerkrankungen liegt darin, dass die Versicherten nicht regelmäßig und vollständig ihre AU-Bescheinigungen der Krankenkasse zukommen lassen. Das macht eine kurzfristige Prüfung recht schwierig. Für die Krankenkasse bedeutet dies, dass sie Zeit für Rückfragen beim Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder beim behandelnden Arzt wegen der fehlenden Diagnosen oder Bescheinigungen investieren muss. Eine direkte Übersendung durch den behandelnden Arzt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die jeweilige Krankenkasse würde hier eine große Zeiteinsparung mit sich bringen. In diesem Falle wäre eine elektronische Übermittlung ideal, da allen Beteiligten eine immense bürokratische Belastung erspart werden würde.