Wann zählt die Umkleidezeit als bezahlte Arbeitszeit?

Artikel aktualisiert am 20.03.2024

 

Geben Arbeitgeber ihren Mitarbeiten vor, auffällige Dienstkleidung zu tragen, ist die Umkleidezeit als bezahlte Arbeitszeit zu vergüten – so das BAG in einem aktuellen Urteil.

Es ist immer wieder Aufgabe der Gerichte, dass sie darüber entscheiden müssen, ob die Zeiten für das Umziehen oder der Weg zwischen den Umkleideräumen zum Arbeitsplatz als Arbeitszeit gelten, die vom Arbeitgeber zu vergüten ist. In dem aktuellen Fall entschied das BAG zugunsten der Arbeitnehmerin, dass in ihrem Fall die Umkleidezeit zu vergüten ist. Als ausschlaggebender Punkt gab das BAG ihre – vom Arbeitgeber vorgegebene – auffällige Arbeitskleidung an: ein T-Shirt mit dem Unternehmenslogo und Sicherheitsschuhe.

 

Wann gilt die Umkleidezeit als Arbeitszeit?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehört die Umkleidezeit dann zur Arbeitszeit, wenn die Arbeitnehmer dazu verpflichtet sind, Arbeitskleidung zu tragen und diese im Betrieb erst angezogen werden darf, beispielsweise aus Gründen der Hygiene. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber die Umkleidezeit der Mitarbeiter auch bezahlen. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitskleidung außerhalb des Unternehmens nicht tragen möchte.

Eine weitere Entscheidung des BAG ist, dass das Anlegen und Ablegen von besonders auffälliger Dienstkleidung eine vergütungspflichtige Zeit darstellt, da der Arbeitnehmer keinerlei Interesse daran hat, seine Tätigkeit nach außen hin außerhalb der Arbeitszeit offen darzustellen.

Der Arbeitgeber darf grundsätzlich seinen Arbeitnehmern einseitig vorschreiben, dass sie im Unternehmen und während der Arbeitszeit die Arbeitskleidung tragen müssen. Das Tragen der Arbeitskleidung ist bei begründetem Interesse ein Teil des Direktionsrechts.

Ob das Umkleiden ein fremdes und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis darstellt, ist im Einzelfall zu klären. In dem konkreten Fall musste die Arbeitnehmerin die Arbeitskleidung ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers tragen. Und genau darauf stellt die Rechtsprechung auch ab: es muss differenziert werden, ob die Arbeitskleidung während der Arbeitszeit auf Weisung des Arbeitgebers getragen werden muss und dass eine private Nutzung der Kleidung ausgeschlossen werden kann. Ist dies der Fall, handelt es sich um eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit des Arbeitnehmers und stellt somit Arbeitszeit dar.

Selbst wenn das vom Arbeitgeber angeordnete Umziehen regelmäßig als Arbeitszeit zählt, bleibt allerdings die Frage der Vergütung. Das Bundesarbeitsgericht sieht hierbei keinen Automatismus, da nach § 611 Abs. 1 BGB sich die Vergütungspflicht des Arbeitgebers alleine an die „Leistung der versprochenen Dienste“ bezieht. Und damit ist die Vergütungspflicht unabhängig von der Einordnung im arbeitszeitrechtlichen Sinne, in der der Arbeitnehmer die dem Arbeitgeber geschuldete Arbeitsleistung erbringt. Das heißt, dass eine bestimmte Zeitspanne, die als Arbeitszeit eingestuft wird, zwangsläufig zu einer Vergütungspflicht durch den Arbeitgeber führt (BAG-Urteil vom 19.09.2012, Az. 5 AZR 678/11).

 

Die Vergütung der Umkleidezeit

Gemäß § 611 Abs. 1 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit als Leistung des „versprochenen Dienstes“, sondern jede sonstige, vom Arbeitgeber verlangte Tätigkeit, welche mit der eigentlichen Tätigkeit in direktem Zusammenhang steht. Das heißt, hierzu zählen alle Dienste, die vom Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer aufgrund des Weisungsrechts gefordert werden. Und jede Tätigkeit, die in ihrer Art zur Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, gilt als Leistung des versprochenen Dienstes.

In dem Urteil hat das BAG nicht nur die Zeit zum Anlegen und Ablegen der vorgeschriebenen Arbeitskleidung, sondern auch die Zeit für das Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege, als Basis der Vergütungspflicht angesehen.

Generell ist die Umkleidezeit je nach Arbeitnehmer individuell festzustellen. Das heißt, die Zeit, die der einzelne Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner eigenen Leistungsfähigkeit für das Umziehen benötigt, zählt zur Arbeitszeit. Dies gilt auch für das Zurücklegen des Weges zwischen dem Umkleideraum und dem Arbeitsplatz. Kann hier ein Arbeitnehmer in seiner Beweis- oder Darlegungslast nicht nachkommen, hat das Gericht die Möglichkeit, die Umkleidezeiten und die Wegezeiten nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen (BAG, Urteil vom 26.10.2016, 5 AZR 168/16).

Unter bestimmten Voraussetzungen kann durch einen Tarifvertrag die Pflicht zur Vergütung der Umkleidezeit ausgeschlossen werden, selbst wenn das Anlegen und Ablegen der Arbeitskleidung als vergütungspflichtige Arbeit angesehen wird (BAG, Urteil vom 25.04.2018, Az: 5 AZR 245/17).

Weitere Beiträge

Berechnung von SV-Tagen

Wie berechnen sich die SV-Tage?

Bei der Abrechnung von Löhnen und Gehältern im Rahmen der Sozialversicherung taucht immer wieder der Begriff SV-Tage auf – also die Anzahl der Kalendertage, für die Beiträge zur Sozialversicherung zu leisten sind. Doch wie genau werden diese SV-Tage berechnet? Die Grundlage dafür liefert § 1 Abs. 1 der Beitragsverfahrensverordnung (BVV).... weiterlesen

10. April 2025


Headset und Geld neben einer Tastatur

Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen steigen weiter

um Jahreswechsel 2024/2025 haben nahezu alle großen gesetzlichen Krankenkassen ihre kassenindividuellen Zusatzbeiträge spürbar angehoben. Das Bundesgesundheitsministerium legte den durchschnittlichen Zusatzbeitrag für 2025 bei 2,5 % fest – ein Anstieg um 0,8 Prozentpunkte gegenüber 2024.... weiterlesen

8. April 2025


Mitarbeitende auf einer Firmenweihnachtsfeier

Weihnachtsfeier: Pauschalversteuerung und Sozialver­sicherungsfreiheit

Betriebsveranstaltungen wie die Weihnachtsfeier sind für Mitarbeiter ein Highlight, doch für Arbeitgeber gilt es, einige steuerliche Regeln zu beachten. Pro Mitarbeiter und Veranstaltung sind Zuwendungen bis zu 110 € steuer- und sozialversicherungsfrei – dieser... weiterlesen

7. April 2025


AuslandsAU

Muss der Arbeitgeber ausländische Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen akzeptieren?

Arbeitnehmer, die während eines Auslandsaufenthalts erkranken, stehen oft vor der Frage, ob ihr Arbeitgeber eine im Ausland ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) akzeptieren muss. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu in seinem Urteil vom 15. Januar 2025 (Az. 5 AZR 284/24) wichtige Klarstellungen getroffen.​... weiterlesen

3. April 2025


Sozialversicherung

Warum die Freiheit in der Sozialversicherung auf pauschal versteuerte Entgelte nach dem 28.02. des Folgejahres verloren geht

In der Praxis der Lohn- und Gehaltsabrechnung stellt sich regelmäßig die Frage, wie mit pauschal versteuerten Entgelten umzugehen ist, insbesondere im Hinblick auf deren sozialversicherungsrechtliche Behandlung. Ein zentraler Stichtag in diesem Zusammenhang ist der 28. Februar des Folgejahres. Nach diesem Datum geht in bestimmten Fällen die sogenannte "Freiheit in der Sozialversicherung" für pauschal versteuerte Entgelte verloren. Doch was genau bedeutet das, und warum ist dieser Stichtag so entscheidend? ... weiterlesen

2. April 2025


Mindestlohn

Stärkere Mindestlohnanhebung in Sicht: 15 Euro als Zielgröße

Neue Berechnungsmethode könnte zu kräftiger Erhöhung führen: Die nächste Anpassung des Mindestlohns in Deutschland dürfte deutlich höher ausfallen als in der Vergangenheit. Grund dafür ist eine neue Berechnungsgrundlage, die sich nicht mehr ausschließlich an der Tarifentwicklung der vergangenen Jahre orientiert, sondern auch einen Zielwert von 60 Prozent des Medianlohns der Vollzeitbeschäftigten berücksichtigt. ... weiterlesen

1. April 2025


LOHNDIREKT

Wir machen es einfach.

Unser Angebot spricht Sie an und Sie möchten eine individuelle Beratung erhalten?
Kontaktieren Sie uns jetzt einfach!

Melden Sie sich jetzt:

0461 / 70 71 555 info@lohndirekt.de

Mo.-Do. 9-15 Uhr, Fr. 9-13 Uhr

Oder nutzen Sie unseren komfortablen Rückruf-Service

    * - Pflichtfeld

    Unser Rückruf erfolgt während der Geschäftszeiten i.d.R. binnen 20 Minuten.

    LOHNDIREKT

    Wir haben Sie schon überzeugt?

    Fordern Sie jetzt kostenlos Ihr persönliches Angebot an!


      * - Pflichtfeld

      Wir freuen uns auf Ihre Anfrage

      Rufen Sie uns an: 0461 / 70 71 555 Mo.-Do. 9-15 Uhr, Fr. 9-13 Uhr