EuGH: neue Pflichten für Unternehmen bei der Arbeitszeiterfassung

Artikel aktualisiert am 28.11.2024

 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 14. Mai 2019 entschieden, dass Arbeitgeber dazu verpflichtet werden müssen, mit einem System die tägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer innerhalb der Mitgliedstaaten messen zu können. Dieses Urteil wird auch als das „Stechuhr-Urteil“ bezeichnet und wird entsprechend diskutiert.

In Befolgung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG sind die Arbeitnehmer dazu verpflichtet, verlässliche Systeme im Unternehmen einzubinden, um die täglichen Arbeitszeiten der Mitarbeiter aufzuzeichnen.

Derzeit werden viele Überstunden von Arbeitnehmern gar nicht dokumentiert beziehungsweise die tägliche Arbeitszeit schon nicht erfasst. In vielen Fällen führt diese Gegebenheit dazu, dass die Arbeitszeit überschritten und dies nicht dokumentiert wird. Die Vorschriften zum Arbeitsschutz besagen allerdings, dass ein Arbeitnehmer in der Regel maximal 48 Stunden in der Woche arbeiten darf. Zwischen den einzelnen Arbeitstagen muss eine Pause von mindestens 11 Stunden liegen.

Anhand eines Zeiterfassungssystem sind die Unternehmen verpflichtet, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu protokollieren. Der EuGH entschied, dass nur auf diese Weise die Wirksamkeit des Unionsrechts auch garantiert werden könne. Das heißt für die Unternehmen innerhalb der Mitgliedstaaten, dass sie alle erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, um die EU-Arbeitnehmerrechte zu gewährleisten und zu schützen. Für die Unternehmen bedeutet dies, dass tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten und auch die Obergrenze der durchschnittlichen, wöchentlichen Arbeitszeit eingehalten werden müssen. Nur so könnte der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter durch Gerichte und Behörden tatsächlich kontrolliert werden.

Arbeitszeiterfassung im Rahmen der EU-Arbeitnehmerrechte

Nach Aussage des EuGH ist es praktisch unmöglich und sehr schwierig, die tägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers zu messen, um dessen Rechte durchsetzen zu können. Ob die wöchentliche Höchstarbeitszeit oder die Mindestruhezeiten eingehalten werden – für die verlässliche und objektive Feststellung der täglichen und auch wöchentlichen Arbeitsstunden sei dies unerlässlich. Regelungen, die für den Arbeitgeber keine Verpflichtung vorsehe, dass die Arbeitszeiten der Mitarbeiter systematisch erfasst werden, würde die Arbeitszeitrichtlinie, also den Schutz von Gesundheit und Sicherheit des Arbeitnehmers gefährden.

Zudem würde eine Zeiterfassung in Zweifelsfällen einen Nachweis bezüglich der Unterschreitung von Ruhezeiten oder der Überschreitung von Arbeitszeiten erbringen. So hätten Gerichte und Behörden ein Mittel zur Kontrolle. Daher müssten die Mitgliedsstaaten die Arbeitgeber verpflichten, ein verlässliches und objektives System einzurichten, das von jedem Arbeitnehmer die tatsächlich geleistete Arbeitszeit führt.

Wer ist von der Arbeitszeiterfassung betroffen?

In etlichen Betrieben wird die Arbeitszeit der Arbeitnehmer nicht erfasst. Das Urteil der EuGH betrifft alle Mitgliedsstaaten in der EU und hier alle Unternehmen und Arbeitnehmer. Ob Außendienstmitarbeiter, Mitarbeiter im Home-Office oder Mitarbeiter im Büro oder im Lager: Alle müssen nach den Vorgaben der EuGH ihre Arbeitszeiten dokumentieren. Und selbst der beruflich bedingte Anruf am Abend von zu Hause aus, müsste vom Arbeitnehmer als Arbeitszeit aufgeführt werden.

Fakt ist, dass alle Unternehmen innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU dieses Urteil umsetzen müssen. Das heißt, dass auch die deutschen Gesetzgeber schnellstmöglich entsprechende Regelungen ausarbeiten müssen. Wie die Vorgaben und Regelungen aussehen werden, ist derzeit noch unklar. Zudem gibt es auch noch keine Vorgabe, wie die Arbeitszeit erfasst werden soll – dies bleibt nach dem Urteil den jeweiligen Mitgliedsstaaten selbst überlassen. Dabei könnte es sein, dass, je nach Unternehmensgröße, die Vorgabe unterschiedlich ausfallen könnte.

Eines dürfte bei dieser Regelung klar sein: Die Flexibilität der Mitarbeiter und deren Arbeitszeiten wird eingeschränkt werden. Denn die Vorgaben werden in vielerlei Hinsicht mit flexiblen Arbeitszeiten vereinbar sein. Und auch die Mitarbeiter im Home-Office oder im Außendienst könnten durch die Verpflichtung der aktiven Arbeitszeiterfassung wiederum eingeschränkt werden.

Wie der deutsche Gesetzgeber diese Vorgabe der Arbeitszeiterfassung umsetzen und ausgestalten wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist es laut EuGH Sache der Mitgliedsstaaten, wie die konkreten Modalitäten zur Umsetzung aussehen werden.

Weitere Beiträge

Berechnung von SV-Tagen

Wie berechnen sich die SV-Tage?

Bei der Abrechnung von Löhnen und Gehältern im Rahmen der Sozialversicherung taucht immer wieder der Begriff SV-Tage auf – also die Anzahl der Kalendertage, für die Beiträge zur Sozialversicherung zu leisten sind. Doch wie genau werden diese SV-Tage berechnet? Die Grundlage dafür liefert § 1 Abs. 1 der Beitragsverfahrensverordnung (BVV).... weiterlesen

10. April 2025


Headset und Geld neben einer Tastatur

Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen steigen weiter

um Jahreswechsel 2024/2025 haben nahezu alle großen gesetzlichen Krankenkassen ihre kassenindividuellen Zusatzbeiträge spürbar angehoben. Das Bundesgesundheitsministerium legte den durchschnittlichen Zusatzbeitrag für 2025 bei 2,5 % fest – ein Anstieg um 0,8 Prozentpunkte gegenüber 2024.... weiterlesen

8. April 2025


Mitarbeitende auf einer Firmenweihnachtsfeier

Weihnachtsfeier: Pauschalversteuerung und Sozialver­sicherungsfreiheit

Betriebsveranstaltungen wie die Weihnachtsfeier sind für Mitarbeiter ein Highlight, doch für Arbeitgeber gilt es, einige steuerliche Regeln zu beachten. Pro Mitarbeiter und Veranstaltung sind Zuwendungen bis zu 110 € steuer- und sozialversicherungsfrei – dieser... weiterlesen

7. April 2025


AuslandsAU

Muss der Arbeitgeber ausländische Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen akzeptieren?

Arbeitnehmer, die während eines Auslandsaufenthalts erkranken, stehen oft vor der Frage, ob ihr Arbeitgeber eine im Ausland ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) akzeptieren muss. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu in seinem Urteil vom 15. Januar 2025 (Az. 5 AZR 284/24) wichtige Klarstellungen getroffen.​... weiterlesen

3. April 2025


Sozialversicherung

Warum die Freiheit in der Sozialversicherung auf pauschal versteuerte Entgelte nach dem 28.02. des Folgejahres verloren geht

In der Praxis der Lohn- und Gehaltsabrechnung stellt sich regelmäßig die Frage, wie mit pauschal versteuerten Entgelten umzugehen ist, insbesondere im Hinblick auf deren sozialversicherungsrechtliche Behandlung. Ein zentraler Stichtag in diesem Zusammenhang ist der 28. Februar des Folgejahres. Nach diesem Datum geht in bestimmten Fällen die sogenannte "Freiheit in der Sozialversicherung" für pauschal versteuerte Entgelte verloren. Doch was genau bedeutet das, und warum ist dieser Stichtag so entscheidend? ... weiterlesen

2. April 2025


Mindestlohn

Stärkere Mindestlohnanhebung in Sicht: 15 Euro als Zielgröße

Neue Berechnungsmethode könnte zu kräftiger Erhöhung führen: Die nächste Anpassung des Mindestlohns in Deutschland dürfte deutlich höher ausfallen als in der Vergangenheit. Grund dafür ist eine neue Berechnungsgrundlage, die sich nicht mehr ausschließlich an der Tarifentwicklung der vergangenen Jahre orientiert, sondern auch einen Zielwert von 60 Prozent des Medianlohns der Vollzeitbeschäftigten berücksichtigt. ... weiterlesen

1. April 2025


    Wir machen es einfach.

    Unser Angebot spricht Sie an und Sie möchten eine individuelle Beratung erhalten?
    Kontaktieren Sie uns jetzt einfach!

    E-Mail:

    info@lohndirekt.de

    Telefon:

    0461 70 71 555

    Hier sind wir zu finden:

    Lise-Meitner-Str. 14a

    24941 Flensburg

      Rufen Sie uns an: 0461 / 70 71 555 Mo.-Do. 9-15 Uhr, Fr. 9-13 Uhr