Lohnsteuerberechnung bei Sonderzahlungen
Was sind Sonderzahlungen? Als Sonderzahlungen (auch sonstige Bezüge) gelten Einmalzahlungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Boni oder andere Gratifikationen, die zusätzlich zum laufenden Monatsgehalt gezahlt werden. Diese Sonderzahlungen sind voll lohnsteuerpflichtig – es gibt keine generelle Steuerbefreiung für Boni oder Weihnachtsgeld. Allerdings erfolgt die Berechnung der Lohnsteuer auf Sonderzahlungen anders als beim laufenden Arbeitslohn.
Wie wird die Lohnsteuer ermittelt? Die Berechnung richtet sich nach dem Jahresprinzip (§ 39b EStG in Verbindung mit § 38a Abs. 3 EStG). Vereinfacht gesagt, wird bei einer Sonderzahlung die Lohnsteuer so berechnet, dass zusammen mit der Lohnsteuer auf das normale Gehalt die voraussichtliche Jahreslohnsteuer erreicht wird[1]. Praktisch geht man in drei Schritten vor:
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Voraussichtlicher Jahreslohn ohne Sonderzahlung ermitteln: Zunächst wird das voraussichtliche Jahresbrutto des Arbeitnehmers berechnet, ohne die aktuelle Sonderzahlung einzubeziehen (früher im Jahr bereits gezahlte Sonderzahlungen werden aber berücksichtigt). Dieser Schritt enthält also das laufende Gehalt auf einen Jahreswert hochgerechnet (und ggf. schon erhaltene sonstige Bezüge des Jahres). Mit dem diesem fiktivem Jahresbrutto wird die Jahreslohnsteuer berechnet.
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Jahreslohn mit Sonderzahlung berechnen: Anschließend wird die Sonderzahlung zum Jahresbrutto addiert und ebenfalls die Jahreslohnsteuer für diesen neuen Betrag anhand der Jahreslohnsteuertabelle ermittelt.
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Lohnsteuer-Differenz als Steuer der Sonderzahlung: Im letzten Schritt wird die zuvor ermittelte Steuer ohne Sonderzahlung von der Steuer mit Sonderzahlung abgezogen. Die Differenz ergibt die Lohnsteuer, die auf die Sonderzahlung entfällt. Durch dieses Differentialverfahren wird sichergestellt, dass insgesamt genau so viel Lohnsteuer einbehalten wird, wie für das Jahreseinkommen inklusive Sonderzahlung geschuldet ist.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer verdient monatlich 2.500 € brutto und erhält im November einmalig 1.000 € Weihnachtsgeld. Ohne Weihnachtsgeld läge sein Jahresbrutto bei 30.000 €; mit Weihnachtsgeld bei 31.000 €. Die Lohnsteuer auf 31.000 € Jahreslohn abzüglich der Steuer auf 30.000 € Jahreslohn ergibt die Steuer, die für die 1.000 € Sonderzahlung einbehalten wird. (In unserem einfachen Beispiel ergäbe sich z.B. eine Lohnsteuer von ca. 150 € auf das Weihnachtsgeld, während auf das normale Gehalt monatlich ca. 100 € Lohnsteuer entfallen mögen – die genauen Beträge richten sich nach Steuerklasse, Kirchensteuer etc.)
Rechtsgrundlage: Diese Methode ist gesetzlich vorgegeben. § 39b EStG verweist auf das Jahresprinzip: „Von sonstigen Bezügen wird die Lohnsteuer mit dem Betrag erhoben, der zusammen mit der Lohnsteuer für den laufenden Arbeitslohn… die voraussichtliche Jahreslohnsteuer ergibt.“. Vereinfacht bedeutet dies genau das oben beschriebene Verfahren. Für Arbeitgeber gibt es Programmablaufpläne der Finanzverwaltung, die die Rechenschritte detailliert vorgeben.
Hinweis: Die Lohnsteuer auf Sonderzahlungen wirkt oft überraschend hoch, da der Progressions-Effekt der Jahressteuertabelle zum Tragen kommt. Sollte dabei zuviel oder zuwenig Steuer einbehalten werden, wird dies im Rahmen der Einkommensteuererklärung wieder ausgeglichen (Lohnsteuerabzug hat Vorauszahlungscharakter). Arbeitgeber setzen im Zweifel eher einen etwas höheren voraussichtlichen Jahreslohn an, um auf der sicheren Seite zu sein – eventuelle Überzahlungen bekäme der Arbeitnehmer dann vom Finanzamt zurück.
Sozialversicherungsbeiträge auf Sonderzahlungen
Sonderzahlungen sind in der Regel sozialversicherungspflichtig (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) – allerdings nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (BBG). Die BBG ist das Einkommen, bis zu dem Beiträge erhoben werden; darüber hinausgehende Teile des Entgelts bleiben beitragsfrei. Für Einmalzahlungen gelten hier besondere Regeln, insbesondere die anteilige Beitragsbemessungsgrenze und die Märzklausel.
Anteilige Beitragsbemessungsgrenze bei Einmalzahlungen
Im Sozialversicherungsrecht werden Sonderzahlungen als „einmalig gezahltes Arbeitsentgelt“ (§ 23a Abs. 1 SGB IV) behandelt. Beiträge werden nach dem Zuflussprinzip im Monat der Auszahlung fällig. Um zu entscheiden, welcher Teil der Sonderzahlung beitragspflichtig ist, wird die BBG zeitanteilig bis zum Auszahlungsmonat berechnet. Man schaut also rückwirkend auf die bereits vergangenen Monate des Kalenderjahres (bzw. seit Beschäftigungsbeginn beim aktuellen Arbeitgeber):
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Schritt 1: Für jeden Monat seit Januar (oder seit Beginn der Beschäftigung) wird geprüft, ob das laufende Entgelt die monatliche BBG ausgeschöpft hat. Wenn ein Monatsgehalt unterhalb der BBG lag, besteht in diesem Monat noch „Spielraum“ für Beiträge.
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Schritt 2: Man summiert die nicht ausgeschöpften Beträge unterhalb der BBG aus allen Monaten bis einschließlich des Monats der Sonderzahlung. Dieses Summenergebnis ist die Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlung.
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Schritt 3: Nur der Teil der Sonderzahlung, der innerhalb dieser freien Summe liegt, ist beitragspflichtig. Der Anteil der Sonderzahlung, der darüber hinausgeht, bleibt beitragsfrei, weil die Beitragsbemessungsgrenze des Jahres bis zu diesem Zeitpunkt bereits erreicht ist.
Beispiel: Die jährliche BBG in der Kranken- und Pflegeversicherung liegt 2025 bei 66.150 € (monatlich 5.512,50 €). Eine Mitarbeiterin verdient 5.000 € brutto im Monat. Bis einschließlich November hat sie also 11 Monate * 5.000 € = 55.000 € verdient. Beitragsfrei möglich wären aber bis November 11 * 5.512,50 € = 60.637,50 €. Der Freiraum beträgt 5.637,50 € unter der BBG. Erhält sie nun im November 10.000 € Weihnachtsgeld, werden davon 5.637,50 € vollständig beitragspflichtig, denn ihr bis November kumuliertes Einkommen (55.000 €) bleibt unter der anteiligen BBG (11 * 5.512,50 € = 60.637,50 €). Allgemein gilt: „Wurden in den abgerechneten Monaten die Beitragsbemessungsgrenzen erreicht, so bleibt die Sonderzahlung beitragsfrei. Wenn nicht, ist die Summe der nicht ausgeschöpften Beträge… die Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlung.“.
Beachten Sie, dass für die Renten- und Arbeitslosenversicherung oft andere BBG-Werte gelten (in 2025 z.B. jährlich 96.600 €, monatlich 8.050 € in Westdeutschland). Man muss die Prüfung für jeden Versicherungszweig durchführen. Im obigen Beispiel war zwar in KV/PV ein Teil des Bonus ggf. frei, in der Rentenversicherung wäre aber bei gleicher Gehaltshöhe die gesamte Sonderzahlung beitragspflichtig, weil die Renten-BBG höher liegt.
Die Märzklausel (§ 23a Abs. 4 SGB IV)
Eine spezielle Vorschrift – die Märzklausel – greift, wenn Sonderzahlungen im ersten Quartal eines Jahres (Jan.–März) geleistet werden. Sie soll verhindern, dass Sozialversicherungsbeiträge durch geschicktes Timing der Auszahlung umgangen werden. § 23a Abs. 4 SGB IV bestimmt: Einmalige Zuwendungen, die im Zeitraum 01.01. bis 31.03. ausgezahlt werden, sind beitragsrechtlich dem Vorjahr zuzuordnen, wenn im Auszahlungsmonat die Sonderzahlung nicht in vollem Umfang beitragspflichtig ist.
Einfach erklärt: Wird z.B. eine Gewinnprämie für das Vorjahr im Februar gezahlt und führt diese aufgrund der noch kaum ausgeschöpften BBG im neuen Jahr dazu, dass keine oder nur geringe Beiträge anfallen würden, dann greift die Märzklausel. Die Sonderzahlung wird rückwirkend so behandelt, als wäre sie im letzten Abrechnungsmonat des Vorjahres (meist Dezember) ausgezahlt worden. Damit gelten die Beitragsbemessungsgrenzen und Beitragssätze des Vorjahres, und es wird geprüft, ob im Vorjahr noch Beitragsraum unter der BBG bestand. Falls ja, werden auf diesen Teil Beiträge erhoben.
Voraussetzungen: Die Märzklausel gilt nur, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:
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Die Sonderzahlung erfolgt zwischen 1. Januar und 31. März des Jahres.
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Der Arbeitnehmer war im Vorjahr bereits sozialversicherungspflichtig bei demselben Arbeitgeber beschäftigt.
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Die Sonderzahlung ist im Auszahlungsmonat nicht vollständig beitragspflichtig, weil die anteilige BBG für diesen Monat bereits (teilweise) ausgeschöpft ist.
Trifft dies zu, muss der Arbeitgeber die Beiträge so abrechnen, als wäre der Bonus dem Vorjahr zugeordnet. Dies erhöht rückwirkend das meldepflichtige Vorjahres-Bruttoentgelt und kann eine Korrektur der Sozialversicherungsmeldungen erforderlich machen. Achtung: Die Märzklausel findet in der Unfallversicherung keine Anwendung – dort zählt immer das Zuflussprinzip, d.h. die Auszahlung im neuen Jahr bleibt für die Unfallversicherungsbeiträge im neuen Jahr.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer hat im Dezember 2025 bereits nahezu die Jahres-BBG ausgeschöpft. Sein Arbeitgeber zahlt den geplanten Bonus nicht im Dezember, sondern im Februar 2026 aus. Im Februar alleine würde dieser Bonus wegen der großen „SV-Luft“ (viel ungenutzter BBG-Anteil Anfang des Jahres) kaum Beiträge auslösen. Märzklausel: Da der Mitarbeiter schon 2025 im Unternehmen war, wird der Bonus beitragsrechtlich nachträglich dem Dezember 2025 zugeordnet. Ergebnis: Es werden Beiträge fällig, soweit im Jahr 2025 unter der BBG noch Luft nach oben war – genau so, als hätte man den Bonus doch im Dezember gezahlt.
Besonderheit: Lohnsteuer bei unterjährigem Eintritt
Tritt ein Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr neu ins Unternehmen ein (z.B. Jobwechsel oder Berufseinsteiger ab Mitte des Jahres) und erhält in diesem Jahr noch eine Sonderzahlung, gibt es eine wichtige Besonderheit: Die Lohnsteuerberechnung muss den unterjährigen Zeitraum berücksichtigen.
Weil das Lohnsteuerverfahren – wie oben beschrieben – mit Jahreshochrechnungen arbeitet, würde ein Mitarbeiter, der z.B. erst im Juli anfängt, auf eine Sonderzahlung unter Umständen relativ weniger Steuer zahlen als jemand, der das ganze Jahr beschäftigt war. Der Grund: Sein voraussichtlicher Jahresarbeitslohn ist aufgrund der fehlenden ersten Monate viel niedriger. Die Lohnsteuer-Differenzrechnung würde somit ein geringeres Steueraufkommen für den Bonus ergeben.
Beispiel: Mitarbeiter M beginnt am 1. August mit einem Monatsgehalt von 3.000 €. Im Dezember zahlt der Arbeitgeber 1.500 € Weihnachtsgeld. Nach strikt rechnerischer Methode würde man M’s Jahresbrutto auf Basis August–Dezember hochrechnen: 5 Monate × 3.000 € = 15.000 € (August–Dezember) plus 1.500 € Weihnachtsgeld ergibt 16.500 € voraussichtliches Jahresgehalt. Die Steuer darauf minus Steuer auf 15.000 € (ohne Bonus) wäre relativ gering. Tatsächlich hat M aber von Januar–Juli woanders ebenfalls Gehalt bezogen oder war zwar ohne Einkommen, erreicht aber durch die Sonderzahlung ein im Verhältnis zum Zeitraum hohes Einkommen. Im ersten Fall würde die Einkommensteuer für das Gesamtjahr höher ausfallen, als die alleinige Betrachtung des neuen Jobs zeigt.
Fiktive Vorerwerbszeit berücksichtigen: Um korrekte Lohnsteuerabzüge zu gewährleisten, sieht das Verfahren vor, bei unterjährigem Eintritt die vorangegangenen Monate des Jahres fiktiv zu berücksichtigen. In der Lohnabrechnungspraxis wird häufig folgendermaßen verfahren:
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Alternativ Hochrechnung des aktuellen Monatsverdienstes: Ist keine konkrete Vorverdienst-Info verfügbar, wird oft der aktuelle Verdienst auf 12 Monate hochgerechnet (bzw. auf die Monate seit Jahresbeginn). Praktisch bedeutet das, man tut so, als hätte der Mitarbeiter seit Januar das aktuelle Monatsgehalt bezogen. Dadurch erhöht sich der angenommene Jahreslohn in der Steuerberechnung, und die Sonderzahlung wird realistischer besteuert. Im oben genannten Beispiel würde man statt 16.500 € Jahreslohn ggf. (fiktiv) 36.000 € + 1.500 € = 37.500 € unterstellen (12 Monate à 3.000 € plus Bonus). Die Lohnsteuer auf den Bonus fällt dann höher aus, entspricht aber eher der tatsächlichen Jahressteuer, die M auf sein Gesamteinkommen zahlen müsste.
Diese Vorgehensweise entspricht dem Zweck des § 39b EStG, der einen möglichst wirklichkeitsgetreuen Lohnsteuerabzug sicherstellen soll. In Lohnabrechnungsprogrammen gibt es deshalb häufig Felder für „Tage/Verdienst vor Eintritt“ beim aktuellen Arbeitgeber. Wird dies übersehen, kann es passieren, dass die Lohnsteuer auf eine Sonderzahlung zu gering berechnet wird – die Nachzahlung würde dann erst im Rahmen der Steuererklärung offenbar. Arbeitnehmer sollten daher wissen, dass bei einem Wechsel im Jahr ein hoher Bonus beim neuen Arbeitgeber netto ungewöhnlich hoch ausfallen kann, was aber am Jahresende zu einer Steuernachzahlung führen könnte, falls das restliche Jahreseinkommen nicht mit einbezogen wurde.
Fazit: Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld oder Boni sind zwar eine willkommene Extra-Vergütung, doch bei Steuern und Sozialabgaben gelten einige Spezialregeln. Für Arbeitnehmer ist wichtig zu wissen, dass Lohnsteuer auf Boni nach dem Jahresprinzip berechnet wird – höhere Abzüge sind normal und richtig. In der Sozialversicherung sorgen die Beitragsbemessungsgrenzen dafür, dass auf sehr hohe Summen nicht unbegrenzt Beiträge anfallen, während die Märzklausel Beitrags-Tricksereien verhindert. Wer den Job im Laufe des Jahres wechselt und noch im selben Jahr einen Bonus erhält, sollte damit rechnen, dass sein neuer Arbeitgeber fiktiv das Jahr auffüllt, um einen passenden Lohnsteuerabzug vorzunehmen. So bleiben am Ende keine bösen Überraschungen bei der Steuer und alle Abgaben sind korrekt entrichtet.
Quellen: Gesetzliche Grundlagen: § 39b EStG (Lohnsteuerabzug), § 38a EStG, § 23a SGB IV